Herbstlose Zeit
Eines Morgens zogen drei Schwalben hoch über unserem noch ganz im Schatten liegenden Garten ihre Kreise. Die Sonne glänzte auf der Unterseite ihrer Flügel, als trügen sie die Taghelle unter ihren Achseln, um sie nun, die Flügel ausbreitend, auf uns fallen zu lassen.
(Auszug Prosaminiaturen; Lichtungen 152/2017)
15 dag Extrawurst
15 dag Extrawurst
Edition Krill
1. Auflage 2013 256 Seiten
Hardcover (Halbleinenband in orange oder olive), zahlreiche Abbildungen
Format 240 × 165 mm
ISBN 978-39502537-9-5
Preis: EUR 33,–
Kern der Publikation »15 dag Extrawurst« von Sigrid Eyb-Green ist die Sammlung der Autorin, die seit einigen Jahren am Aufbau eines Zettelkastens im Wortsinn arbeitet:
Einkaufslisten, Planskizzen, Rezepte und Diagnosen, Arbeitsnotizen, Beschimpfungen und Schmähungen, unter Schulbänken gekritzelte Zwiegespräche, To-do-Listen, kurz: Notizzettel verschiedenster Art, die im öffentlichen Raum aufgelesen wurden.
Die Sammlung beinhaltet mittlerweile rund 700 archivierte und katalogisierte Zettel.
Im vorliegenden Buch sind mehr als zweihundert dieser mitunter absurden, nachdenklichen, skurrilen oder auch erheiternden Fundstücke abgebildet, anhand derer
Sigrid Eyb-Green in begleitenden Texten ihr Prinzip des Sammelns umreißt, eine Taxonomie des Alltags unternimmt und über die unterschiedlichen Fundorte auch demografische Rückschlüsse zulässt. Die Beschreibung des zugrunde liegenden Archivierungsprinzips zeigt dabei den Gegensatz von Sammeln und Ansammeln, das sich unter anderem in durchlaufenden Inventarnummern manifestiert.
Apropos Inventarnummer: Der Zettel mit der Inv. Nr. 1 (vorne am Buch abgebildet) kommt nicht von ungefähr, sondern wurde mit neugierigen Fingern aus einem herbstlichen Laubhaufen gepickt. Dass somit, neben dem Hietzinger Eingangstor des Schönbrunner Parks, bereits auch ein nachmaliger Buchtitel gefunden war, war nicht vorherzusehen. Was im Übrigen ein Hinweis darauf ist, dass eine spontane Handlung hie und da auch ein unvorhergesehenes Nachleben entwickeln kann – eine schöne Ungewissheit, die im alltäglichen Treiben einen wohligen Schauer verursachen mag.
Pressestimmen
• Orangen / Zitronen / Äpfel / Suppenürze / Mehl uni / Inferno-Spray
Anonymer Einkaufszettel aus der Sammlung der Wiener Autorin und Restauratorin Sigrid Eyb-Green, deren Kollektion gut 700 zufällig gefundene handschriftliche Notizen (neben Einkaufszetteln vor allem To-do-Listen, Kritzeleien und Drohbriefe) umfasst. Gut 200 davon finden sich nun, wunderschön faksimiliert und mit kundigen Einordnungen der Sammlerin versehen, in dem Band »15 dag Extrawurst«. Zettels Traum!nnen sich wahrscheinlich nicht satt sehen an der Farbenpracht.“ Martina Mattes, Evangelisches Literaturportal.
(Wolfgang Paterno, profil Nr. 27, 1. Juli 2013)
• »Sammlungen spiegeln ihre Sammler wider«, meint Eyb-Green, »und die Restauratorin erfreut sich an der Sinnlichkeit von Papier, in das sich der raue Asphalt eingeprägt hat, am Abdruck von Sohlenprofilen und am geometrischen Staubmuster, das sich beim Auffalten der zerknüllten und flachgetretenen Zettel ergibt.« Wozu ihr Sammlerinnen-Credo passt: »Nur kein restauratorischer Eingriff, denn alle Verformungen und Verfärbungen sind ja Teile der Biografie, und man soll den Objekten ihre Geschichte nicht nehmen.« Und also liegen sie auch, zwischen Buchdeckeln faksimiliert, vor uns: verwischt und schmutzig, zertreten und zerrissen und voller Leben, wie sonst eben nur das Leben selbst. Duplikate, ja. Aber das ganz und gar original.
(Wolfgang Freitag, Die Presse/Spectrum; 3. August 2013)
• Über 700 handschriftliche Notizen, aufgesammelt auf Straßen und öffentlichen Plätzen, erzählen von Familien- und Singleeinkäufen, Parkplatzärger, Liebeskummer, Schulaufgaben, von Höflichem und Unverschämtem und den großen Fragen des Lebens. Die Autorin sammelt verlorene und weggeworfene Zettel, überall wo sie und fleißige Mit-Sammlerinnen eben unterwegs sind. 250 davon finden sich nun als »Best of« in diesem bezaubernden und wunderschön gearbeiteten Buch der Edition Krill. Aufgelockert mit poetischen Texten über das Phänomen »Sammeln und Finden«. Am 22. 10. führt die Autorin im Wien Museum Karlsplatz durch die gleichnamige Ausstellung mit Originalfundstücken.
(Maxima Nr. 9, September 2013)
• Book look: Sigrid Eyb-Green
«15 dag Extrawurst» is a common request at domestic supermarkets’ deli service departments since this amount of sliced sausage is a popular snack. Austrians love bread rolls with some butter, Extrawurst sausage and maybe a cucumber or a slice of cheese. However, «15 dag Extrawurst» is also the title of a new book by Sigrid Eyb-Green. The Austrian writer collected almost 700 notes for her most recent release. Most of the small sheets of paper were thrown away on the streets of Vienna before she picked them up, but there are also notepads from people in Bern, Switzerland, and Amsterdam in the Netherlands. Some notes are torn into pieces while others show mysterious combinations of numbers. Eyb-Green found to-do lists, recipes and a sheet of paper on which someone wrote: «always – often – sometimes – never». One infuriated resident warns on a note that a driver’s car will be towed away the next time he finds it parked in front of his driveway. Shopping lists include items like an «inferno spray» which is, as Eyb-Green explains, an oven cleaning agent. Not all reminders are in German – the writer, who was born in Vienna in 1974, also discovered Arabic notes. Her idea to create a book such as «15 dag Extrawurst» is unusual but also convincing since it is immensely amusing to read the various notes people wrote down for themselves or others.
(Thomas Hochwarter, austrianculturechannel, 31. August 2013)
• Z wie Zettel
Erinnern Sie sich noch, wie Sie als Kind Ihren Wunschzettel für das Christkind geschrieben haben? Leider tun wir das als Erwachsene ja nicht mehr, aber dafür schreiben wir jede Menge anderer Zettel! Notizzettel, Einkaufslisten, Erinnerungen, Kurznachrichten, Rezepte, Ideenskizzen, Minibrieferln – die meisten von ihnen werfen wir weg, wenn sie sich »erledigt« haben. SIGRID EYB-GREEN und die Edition KRILL haben aus 200 solcher weggeworfenen Zetteln das poetischste Buch des Jahres 2013 gemacht: »15 dag Extrawurst« enthält nicht nur die Zettel, sondern auch blitzgescheite philosophische Überlegungen zum Thema Sammeln und Ansammeln, Alltag und Erinnerung. Den titelgebenden Zettel fand sie übrigens in einem Laubhaufen vor dem Eingang zu Schönbrunn – hier ist mein Lieblingszettel:
(Barbara Rett, Mit besten Empfehlungen, 8. Dezember 2013)
8 Übungen in Verunsicherung
Am Morgen fuhr sie mit dem Fahrrad an einem überfahrenen Hasen vorbei.
Erst aus der Nähe – der Körper drückte sich flach an die Straße, der Morgenwind zauste die feinen langen Haare – war ein irritierend unbeteiligtes rotes Glasauge zu erkennen.
Auch keine Flecken auf dem Asphalt, kein Blut, das Fell nicht verklebt. Bei genauerer Betrachtung stellte sich heraus, dass es sich bei dem Hasen um ein Stofftier handelte, das aus echtem Fell zusammengenäht worden war; vor der Nase kräuselte sich ein brauner Faden wie eine dünne Blutspur.
War das Tier also doppelt gestorben - einmal als ihm das Fell abgezogen und einmal als es überfahren worden war? Gewiss war es mehr gestorben als wäre das Hasenfell bloß zu einer Mütze verarbeitet worden, die dann unter ein Auto geriet.
Am Abend desselben Tages erschien eine dunkle reglose Wolkenballung in den Himmel gekippt, davor erhoben sich scharfkantige, an den Rändern gleißend helle Wolken: ein ungestümer aber teilnahmsloser Gemäldehimmel über einer Stadt, in deren Gassen schon trockene Blätter über den Asphalt kratzten, Wind in Plastiksäcken und Röcken,
den Staub der sommermüden Parks aufwirbelnd, weit unterhalb des starren Himmels zerzauste graue Wolken rasch mit sich treibend:
zwei Himmel gegeneinander verschoben. Der Tag, der mit einem doppelbödigen Tod begonnen hatte, endete so mit einem doppelbödigen Himmel.
(Auszug Prosaminiaturen, Manuskripte 205/2014)
Pressestimmen
• „Sigrid Eyb-Green offeriert sprachlich virtuos >Acht Übungen in Verunsicherung< (...)"
(Werner Krause, Kleine Zeitung; 21. September 2014)
Unsicheren Schrittes zu durchmessendes Land
In den Alleen von Schönbrunn schimmelten schon die Blätter; die hellen Flecken breiteten sich erst entlang der Adern aus, bevor sie das ganze Blatt überzogen. Oben auf der Gloriette wurden Mantelkrägen hochgeschlagen, und in den Hecken des Parks tauchten die ersten verlorenen Handschuhe auf, Winterboten, einsame Zugvögel: Gegenschwalben.
Die Geometrie des Parks war in den letzten Wochen fadenscheinig geworden. Wie ein lautloses, zu Boden gesunkenes Gewitter zuckten, oberstes zuunterst kehrend, auf dem Platz vor dem Schloss die Blitze von Fotoapparaten in der Dunkelheit. Ihre ruhelosen blauen Lichter wurden von der den ganzen Platz zwischen Schloss und Brunnen bedeckenden Eisfläche reflektiert; der Regen dieses trüben Dezembertages hatte gegen Abend zu frieren begonnen und den Park in ein unsicheren Schrittes zu durchmessendes Land verwandelt. In den Alleen lag zwischen undicht gewordenen Baumsilhouetten ein farbiges Glimmen am Boden, wo sich im Eis jene rosa Wolke spiegelte, die über dem Schloss im dunklen Himmel schwebte, und die ihrerseits nichts als ein matter Widerschein jenes Lichts der das Schloss nachts beleuchtenden Scheinwerfer war, das von der dichten Wolkendecke, die über der Stadt lag, zurückgeworfen wurde.
Über diesem laternenlosen Park, seinen zerschlissenen Allen und schimmernden Wegen, auf denen dunkle Figuren hierhin und dorthin zogen, lag, gleichmütig und erhaben wie ein Gestirn, die Gloriette als entrückter Widerschein des Schlosses, als sein ferner Mond.
Ein vor Kälte brüchig gewordenes barockes Spiegelkabinett war dieser Ort an jenem Abend geworden, tückisch Spiegelbild in Spiegelbild verzerrend, versenkend, Erde wie Himmel, morgens- wie abendswärts verkehrend, Licht um Licht, Schatten um Schatten brechend, doppelbödige Geometrien und Vexierbilder auf kalter Erde, wehe dem zögernden Wanderer!
(Auszug Prosaminiaturen; Lichtungen 142/2015)
Der gesamte Himmel ist überarbeitet
Der gesamte Himmel ist überarbeitet
Verlag Letter P
Sondereinband
210 Seiten
26,00 €
978-3-9503168-9-6
Katalog zur Ausstellung „Der gesamte Himmel ist überarbeitet“ im xhibit, Akademie der bildenden Künste Wien (8. Oktober – 9. November 2014). In der Praxis und Forschung der Restaurierung und Konservierung entstehen Objekte, die über ihre ursprüngliche Funktion als Testobjekt oder Hilfsmittel hinaus eine eigene Ästhetik entwickeln können.
„Der gesamte Himmel ist überarbeitet“ zeigt diese Zwischen-, Neben- und Abfallprodukte als eigenständige Artefakte und untersucht ihre komplexe Beziehung zu künstlerischen Ästhetiken und restauratorischen Prozessen. Die Ausstellung ermöglicht neue Sichtweisen auf restauratorische und konservatorische Praktiken, indem sie das restaurierte resp. das „verstandene“ / „erschlossene“ Kunstwerk aus dem Brennpunkt der Aufmerksamkeit entfernt und stattdessen die im Prozess entstandenen Artefakte ins Zentrum stellt.
Die Auflage ist auf 300 Exemplare begrenzt und nummeriert. Der Katalog besteht aus 77 losen Blättern und 7 Leporellos, er wird in einer Manschette geliefert.
Das zusammengedrängte Gedenken
Leopold Kupelwiesers Freskenzyklus in der Niederösterreichischen Statthalterei
Verlag Bibliothek der Provinz
ISBN: 978-3-99028-075-1
27 x 24 cm
310 S., zahlr. Ill.: vierf., Hardcover m. Schutzumschl.
Der Freskenzyklus von Leopold Kupelwieser im Gebäude der Niederösterreichischen Statthalterei in Wien zählt zu den frühesten und zweifellos bedeutendsten patriotischen Geschichtszyklen des österreichischen 19. Jahrhunderts. Eine detaillierte monographische Betrachtung zählte bisher allerdings zu den Desideraten der Kunstgeschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts und wird mit dieser Publikation eingelöst. Die vorliegende Arbeit kann in mehrfacher Hinsicht als ein besonderer Glücksfall betrachtet werden: In einem interdisziplinären Zugang ist in modellhafter Weise die untrennbare Verknüpfung von Inhalt und Technik in den zahllosen Verquickungen und Symbiosen in allen Filiationen eindrucksvoll nachvollzogen.
Pressestimmen
• "Die Betrachtung von Eyb-Green zeigt das politische Momentum der Verquickung von Kunst, Symbolik, von Mythologie, Realpolitik und Kommunikationswesen. (…) Dort, wo heute das Außenamt der Republik Österreich residiert, befand sich einst die Niederösterreichische Statthalterei in Wien. Wer sich im Detail mit der Geschichte des Gebäudes und dessen Kunst auseinandersetzen will, dem sei Sigrid Eyb-Greens Monografie Das zusammengedrängte Gedenken ans Herz gelegt. Zweifellos zählen Kupelwiesers Deckenfresken in der ehemaligen Niederösterreichischen Statthalterei zu den bedeutendsten patriotischen Geschichtszyklen – Herrschern, Schlachten und Staatsakten huldigend. Eyb-Green setzt sich differenziert mit inhaltlichen Komplexen, künstlerischen Aspekten und bewusst betriebener Geschichtsrezeption auseinander. Die Betrachtung von Eyb-Green kann aber auch abseits der Gemäldebeschreibung als Glücksfall bezeichnet werden, denn gerade der interdisziplinäre Zugang der Historikerin zeigt eindeutig das politische Momentum der Verquickung von Kunst, Symbolik, von Mythologie, Realpolitik und Kommunikationswesen. (…)"
(Gregor Auenhammer, Der Standard, 17.5.2017)
• "Eyb-Green geht in ihrer umfangreichen Arbeit zu der zwischen 1848 und 1850 von Leopold Kupelwieser durchgeführten Ausmalung des „Marmorsaals“ (großer Sitzungssaal) in der ehemaligen Niederösterreichischen Statthalterei in Wien mehreren Fragestellungen nach – zum einen dem bereits von der Forschung mehrmals behandelten Problem der thematischen Ausrichtung dieses Zyklus, zum zweiten der Funktion der Ausstattung im Sinne eines politischen Propagandainstruments und schließlich den technischen Facetten des Zyklus und seiner Entwürfe. (…) Die Forschung wird der Autorin für diese minutiöse Herleitung der einzelnen Sujets dankbar sein, weil sie einen umfassenden Einblick in die textlichen wie bildlichen Repertoires gibt, die der Geschichtsmalerei in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts zur Verfügung standen."
(Werner Telesko, Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichte 125, 2017)